Heute gewann der Kenianer Evans Chebet den Boston Marathon in der Zeit von 2:05:54, gefolgt von Gabriel Geay und Benson Kipruto. Eine großartige sportliche Leistung! Dennoch: Es ist zugleich der 10. Jahrestag der Anschläge auf den Boston Marathon 2013. Traditionell findet dieser Lauf am Patriots Day (und an einem Montag) statt. 2013 war dies der 15. April. Um 14:50 Uhr Ortszeit explodierten in unmittelbarer Nähe des Zieles kurz hintereinander zwei Bomben. Durch die Explosionen starben drei Zuschauer (darunter ein 8 jähriges Kind), 264 Zuschauer und Läufer wurden verletzt. Ein furchtbares Leid bei einer friedlichen Sportveranstaltung!

Auch für zwei Gerlinger Läufer hat dieser Tag seitdem eine besondere persönliche Bedeutung; die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse von damals ist noch frisch. Hans-Dieter Weidle und ich waren Teilnehmer des Marathons; wir befanden uns „mitten“ im Geschehen. Wir waren schon 41 anstrengende Kilometer gelaufen, wurden aber etwa 1 km vor dem Ziel plötzlich gestoppt. Es ging nicht mehr weiter. Um uns herum bildete sich schnell eine große Menge von Marathonis, die von hinten aufliefen. Keiner wusste zunächst, was geschehen war; es gab keine Informationen und damals hatte kaum ein Läufer sein Handy dabei. Alle waren ratlos, unsicher; die Euphorie und Anstrengung des Laufs war schlagartig vergessen. Zuerst hatten wir noch die naive Vorstellung, wir könnten den Lauf zu Ende bringen. Aber bald sprach sich herum, dass es Bombenexplosionen gegeben hatte. Dennoch warteten die Läufer zunächst ab.

Unser Hotel war in der Nähe des Zieles, etwa 2 Kilometer entfernt. Wir versuchten schließlich, es zu Fuß über Umwege zu erreichen. Wir hatten Glück. Durch Zufall kamen wir ausgerechnet an dem Bus vorbei, wo wir unsere Kleiderbeutel nach dem Zieleinlauf hätten holen sollen; es waren über hundert Busse im Einsatz. Weit und breit kein Mensch …. nur ein Helfer, der in unserem Bus wartete. So kamen wir nicht nur an unsere Kleidung, sondern vor allem an das Handy. Wir konnten unsere Angehörigen verständigen, dass es uns gut ging und erfuhren auch, dass meine Frau wohlauf war. Sie wollte eigentlich auf der Zielgerade auf uns warten! Die Familie und viele Freunde hatten ja längst über die Medien vom Anschlag erfahren und waren nach der Entwarnung erleichtert.

Im Hotel verfolgten wir stundenlang die Nachrichten und verstanden erst langsam, was geschehen war. Es wurde uns auch klar, dass wir mit unserer angestrebten Zielzeit zum Zeitpunkt der Explosionen ziemlich genau an der falschen Stelle gewesen wären. Wir waren etwa 5-10 Minuten langsamer als gedacht und wurden 1km vor dem Ziel gestoppt; das hätte genau gereicht!

Die nächsten Tage waren dann unglaublich viel Medien und Polizei um uns herum; das Thema beherrschte die Stadt, das Entsetzen wich kaum. Die Fahndung war schnell erfolgreich; ein Attentäter wurde nach 4 Tagen gefasst und später verurteilt, der zweite (sein Bruder) kam bei einem Schusswechsel ums Leben, ein Polizist wurde dabei schwer verletzt. Ein weiterer Polizist wurde vorher von den Attentätern erschossen.

Nach einigen Wochen bekamen wir sogar noch unsere Medaille und eine Urkunde mit einer hochgerechneten Endzeit. Auch wenn es keine richtige Finisher-Urkunde ist, hat diese Urkunde einen besonderen Platz unter den Marathon-Trophäen. Im Folgejahr durften wir erneut in Boston starten, das „unfinished business“ erledigen und den Zieleinlauf genießen. Dennoch bleibt hauptsächlich der Marathon 2013 im Gedächtnis.